Luchs

Der Luchs zählt – neben Bär und Wolf – zu den grössten Landraubtieren in Europa, wird er nicht als Bedrohung für den Menschen angesehen.

Einleitung

Wir Menschen haben den Luchs in der Schweiz einst ausgerottet – jetzt ist es unsere Verantwortung, ihm in unseren Wäldern wieder eine Heimat zu bieten.

Seit den 1970ern versucht man nun, die Wildkatze in den Alpenraum zurückzuholen. In der Schweiz, wo die Wiederansiedlung am erfolgreichsten war, leben mittlerweile 150 Tiere. Im Jura und in den Nordwestalpen sind die Populationen heute sogar so gross, dass sie genutzt werden können, um die Bestände andernorts, etwa in Italien oder Österreich, aufzustocken.

Steckbrief
Gewicht (Lebendgewicht) Kuder bis 32 kg, Kätzin bis 21 kg
Paarungszeit Februar – April
Tragzeit 10 Wochen
Wurfzeit, Anzahl Welpen Ende Mai bis Anfang Juni
Säugezeit 9 Wochen
Nahrung Fleischfresser; v.a. Rehe, Gämsen – z.t. auch Hasen, Füchse, Schafe, Ziegen
Natürlicher Beutegreifer Wolf
Verbreitungsgebiet Jura, Aplenraum
Jagdsprachliche Bezeichnungen
Erwachsene Tiere Kuder ♂ / Kätzin od. Luchsin ♀
Jungtiere Hirschluchs – ausgewachsener Luchs im Sommerbalg
Kalbluchs – ausgewachsener Luchs im Winterbalg
Tiergruppe – – –
Fell Balg
Augen Seher
Ohren Gehöre
Beine / Füsse Läufe
Schwanz Stummelrute (kurzer Schwanz)
Paarungszeit Ranz
Geburt Werfen
Sinne

Seher

Es sind vor allen Dingen die Augen die dem Luchs die Fähigkeit geben Beute zu machen. Die Augen sind im Verhältnis zum Körper sehr gross und die Pupillen können bei Dunkelheit sehr weit geöffnet werden. Damit der Luchs mit diesen Augen auch bei Tageslicht gut sehen kann, sind die Pupillen nicht rund sondern elliptisch geformt, so dass sie bis auf ein winzig kleines Loch geschlossen werden können.

Die Lichtempfindlichkeit des Katzenauges ist etwa sechs mal so hoch wie die des menschlichen Auges.

Neben der Grösse sind es zwei Strukturen die zu dieser hohen Lichtempfindlichkeit beitragen

Zelltypen im Auge

Auf der Netzhaut des Luchses gibt es wie bei allen Säugetieren zwei verschiedene Zelltypen: Stäbchen und Zäpfchen.

  • Stäbchenzellen funktionieren bei sehr geringer Helligkeit, können aber keine Farben erkennen.
  • Zäpfchenzellen sind wiederum notwendig für die Farberkennung.

Da Luchse nachtaktiv sind, verwundert es nicht, dass bei ihnen die Stäbchenzellen dominieren. Das Verhältnis von Stäbchen und Zäpfchen beträgt 63:1. Im Vergleich dazu liegt es beim Menschen nur bei 20:1.

Tapetum lucidum

Dabei handelt es sich um eine reflektierende Schicht, die hinter der Netzhaut liegt. Licht, das auf die Netzhaut fällt, wird von ihr wie von einem Spiegel reflektiert, so dass es noch einmal von den Sinneszellen erfasst werden kann.
Dadurch wird das Bild der Umgebung aufgehellt. Da die reflektierten Strahlen jedoch nicht mehr die gleichen Sinneszellen treffen, wird die Schärfe des Bildes allerdings geringer.
Die Tapetum lucidum ist auch der Grund dafür, dass die Augen der Tiere im Scheinwerferlicht ein gelbgrünes Licht zurückstrahlen. Deshalb werden Reflektoren gemeinhin auch als Katzenaugen bezeichnet.

Das Farbsehen der Augen ist hingegen schlechter ausgeprägt, da sie nur zwei verschiedene Typen von Zäpfchenzellen besitzen, menschliche Augen im Vergleich dazu aber drei. Folglich können sie auch weniger Farben als der Mensch erkennen, nämlich nur grün und blau.
Was zunächst als Nachteil erscheint, ist in der Dämmerung aber von Vorteil, da die Tiere so mehr Grautöne unterscheiden können. Unter allen Carnivoren ist das dreidimensionale Sehen bei Katzen am weitesten entwickelt. Durch die nach vorne gerichteten, eng zusammengerückten und weit oben im Schädel sitzenden Augen ergibt sich eine starke Überschneidung der Sehachsen (120 Grad). Dadurch können Katzen Entfernungen sehr gut einschätzen. Darüber hinaus ist aber auch das periphere Sehen (Sehen ausserhalb des Fixationspunktes) sehr gut ausgeprägt.
Insgesamt beträgt das Gesichtsfeld 180 Grad. Deshalb muss ein Luchs nur selten fokussieren, um die Umgebung nach Bewegungen abzusuchen, typischerweise sind die Augen dabei weit geöffnet und starren in die Ferne.

Der Verhaltensforscher Waldemar Lindemann konnte die Sehschärfe von zwei handaufgezogenen Luchsen testen. Die Tiere waren in der Lage, eine Maus auf 75 Meter, einen Hasen auf 300 Meter und ein Reh auf 500 Meter zu erkennen.

Tastsinn

Luchse haben spezialisierte, berührungsempfindliche Haare (Vibrissen), die etwas dicker als normale Haare und tiefer in der Haut verankert sind.
Sie sitzen in flüssigkeitsgefüllten Säckchen, die reichlich mit Nervenbahnen durchzogen sind, so dass die kleinste Berührung registriert werden kann.
Sie sind vor allem um die Schnauze des Luchses herum angeordnet. Darüber hinaus findet man sie auch an den Wangen, über den Augen, unter dem Kinn und an den Vorderbeinen. Diese Tasthaare sind in der Lage, neben Berührungen sogar Veränderungen von Luftströmungen zu registrieren.
Die von den Sinneszellen der Haarwurzeln aufgezeichneten Reize werden im Gehirn in ein räumliches Bild umgesetzt. Dadurch wird vor allem das Jagen in der Dunkelheit unterstützt. Wie effektiv dieses System funktioniert, zeigt sich bei blinden Tieren, die damit in der Lage sind, Hindernisse zu umgehen, ohne sie zu berühren.
Beim Jagen fächert der Luchs die Schnurrhaare auf und stellt sie kurz bevor er die Beute erreicht nach vorne. Hat der Luchs Kontakt zum Beutetier, bekommt er genaue Informationen über dessen Bewegungen, die ihm helfen, den Tötungsbiss gezielt anzubringen.

© Peter Sürth

Gehör

Luchse verfügen über ein ausgezeichnetes Gehör, das sie in die Lage versetzt, noch im Bereich zwischen 65 und 70 kHz Töne wahrzunehmen. Dies liegt weit oberhalb des menschlichen Hörvermögens, das bei 15 bis 20 Kilohertz endet. Dadurch können sie noch die leisen Laute von kleinen Nagern im Ultraschallbereich zwischen 20 bis 50 kHz registrieren.
Die Ohren des Luchses lassen sich unabhängig voneinander in einem weiten Radius drehen. Die Tiere können so ihre Beutetiere akkustisch lokalisieren und selbst in der Nacht gezielt anspringen. Darüber hinaus dienen sie auch zur Verstärkung der Geräusche.
Das gute Gehör der Luchse versetzt sie in die Lage, das Rascheln einer Maus und das Knabbern eines Hasen an einem Zweig noch aus einer Entfernung von 65 Metern zu hören.

Bei einem Versuch mit einer Trillerpfeife konnte ein Luchs den Ton noch aus 4,5 Kilometern Entfernung wahrnehmen, ein Hund aus 2,8 Kilometern und ein Mensch nur aus 2,4 Kilometern.

Nase

Auch der Geruchssinn des Luchses ist gut ausgebildet, spielt jedoch beim Beuteerwerb eine weitaus geringere Rolle als z. B. bei Wölfen. Vielmehr dient er ihnen eher zur Kommunikation mit Artgenossen als zur Jagd. So registriert er etwa über Urinmarkierungen, ob andere Luchse in der Nähe sind. Anhand des Uringeruchs erkennt ein Luchsmännchen sogar, ob ein Weibchen paarungsbereit ist.

Gebiss

Im Gegensatz zur Familie der Hunde charakterisiert die der Katzen ihre eher rundliche, verkürzte Gesichtsform, in deren relativ kleinem Kiefer nur bis zu 30 Zähne Platz haben (Hunde verfügen im Vergleich über 42 Zähne). Das Gebiss der Luchse ist jedoch hervorragend an die Lebensweise als Beutegreifer angepasst. Es besitzt stark verlängerte Eckzähne, die bei der Jagd als Fangzähne zum Erlegen der Beute eingesetzt werden. Charakteristisch für Beutegreifer sind ausserdem zwei scharfe Reisszähne, die sogenannte Brechschere, in jeder der beiden Kieferhälften. Mit diesen Backenzähnen sind die Luchse in der Lage, Röhrenknochen mit einem Durchmesser von bis zu 2,5 Zentimeter durchzubeissen.

Stimme

Der Ruf des Luchses während der Ranzzeit (Februar/März) ist ein hohes kreischendes Geheul, das in einem Murren endet.

Allerdings ist dieser Ruf dem des Fuchses oder dem so genannten Bellen eines Rehs zum Verwechseln ähnlich.

Deshalb ist der Luchsruf als Nachweis eher ungeeignet. Allenfalls kann durch Ortung der Laute ein Fundort mit weiteren Nachweisen wie Spuren oder Risse ausgemacht werden.

Ruf des Luchses
Typisches Knurren während der Ranz
Lebensraum

In der Regel leben Luchse dort, wo sich ihre Beute, hauptsächlich Rehe und Gämsen, aufhält, wo sie sich verstecken und ihre Jungen aufziehen können.

Der Luchs mag Gebiete die viel Schutz- und Unterschlupfmöglichkeiten bietet. Das können Höhlen und natürliche Unterschlupfe im Wald sein, aber auch steinigeres Terrain. Lässt es die Felsstruktur zu, kommt der Luchs auch bis weit über die Baumgrenze vor – in den Karpaten wurden sie schön in einer Höhe von über 2000 Meter beobachtet.

Mit seinen kraftvollen Hinterbeinen kann der Luchs weit und hoch springen und dank grossflächiger Tatzen kommt es auch bei hohen Schneelagen noch gut zurecht. Anders als der Wolf kann der Luchs seine Beute nicht bis zur völligen Erschöpfung hetzen, sondern setzt auf Überraschungsangriffe aus der Deckung heraus, wobei das individuell recht unterschiedlich gemusterte und gefärbte Fell hilft. Haben Luchse einen Riss, bleiben sie einige Tage am gleichen Ort, dann ziehen sie innerhalb ihres Reviers weiter, das im Falle der Kuder 150 bis 400 Quadratkilometern gross ist.

Problem ‚Zerschneidung des Lebensraumes‘

Die räumliche Trennung der Luchspopulationen in der Schweiz und Europas durch Verkehrs- und Siedlungsstrukturen verursacht ein massives Problem. Sie erschwert oder verhindert den Kontakt von Männchen und Weibchen während der Paarungszeit. Jungluchse stehen vor der schwierigen Aufgabe, aus dem Revier ihrer Mutter abzuwandern und sich ein eigenes zu suchen. Je zahlreicher, je massiver solche als Barrieren wirkenden Strukturen den Tieren im Weg stehen, desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit, dass die einzelnen Populationen voneinander isoliert bleiben.

Diese räumliche Trennung nennt man auch Fragmentierung. Da die Luchse dann nur Zugang zu Partnern ihrer unmittelbaren Nähe haben, steigt die Gefahr von Inzucht, also der Paarung miteinander verwandter Luchse, und damit die Gefahr genetischer Verarmung. Die Folgen von Inzucht sind vermehrte Unfruchtbarkeit, Frühgeburten oder häufiges Auftreten von Erbkrankheiten.

Verhalten

Der Luchs ist ein Einzelgänger und lebt territorial. Die Kätzin verteidigt ihr Revier gegen andere Luchsweibchen – Kuder verteidigen es gegen andere Luchsmännchen. Die Territorien von Kuder und Kätzin überlappen sich, wobei das des Kuders etwa doppelt so gross ist wie das der Kätzin. Die Grösse der Reviere hängt vom Nahrungsangebot und der Populationsdichte ab, sie erstrecken sich von mehreren Dutzend bis mehreren Hundert Quadratkilometern.

Ein Luchs kann zu allen Tageszeiten aktiv sein, gejagt wird jedoch mehrheitlich in der Dämmerung. Meist ruht er mit frischer Beute im Tageslager, frisst am Abend und streift in der Nacht umher, bevor er am Morgen wieder in sein Lager zurückkehrt.

Der Luchs ist ein Prischjäger. Durch Anschleichen und Lauern gelangt er nahe an die Beute die er dann mit einem Überraschungsangriff erlegt. Gelingt Ihm dies nicht auf Anhieb, wird die Beute nur kurz verfolgt.
Sein Opfer greift er mit den Krallen der Vorderpranken und tötet es mit einem gezielten Kehlbiss.

Männchen und Weibchen begegnen sich gelegentlich, sie leben aber dennoch getrennt. Nur während der Ranz verbringen sie längere Zeit miteinander.
Luchsweibchen ziehen die Jungen alleine gross. Die Familie lebt die ersten 10 Wochen – bis zur folgenden Ranz – zusammen. Nach der Säugezeit begleitet der Nachwuchs seine Mutter auf den Streifzügen. Durch Markieren zeigt diese dem Männchen, wann sie erneut paarungsbereit ist.

Trittsiegel
Trittsiegel des Luchses
Luchsspur im Schnee
Ernährung

Als reine Fleischfresser verzehren Luchse täglich rund zwei Kilogramm Fleisch – dies entspricht pro Woche rund einem Reh oder einer Gämse. Pro Jahr benötigt ein erwachsenes Tier also rund 60 Rehe.

Normalerweise frisst ein Luchs an einem Riss während 3 bis 7 Tagen. Wird er nicht gestört, so lässt er vom Beutetier nur das Fell, die grossen Kochen, Kopf sowie den Magen-Darm-Trakt übrig (Siehe auch diesen Artikel Rissbilder).
Oft bleiben die Laufknochen an den Gelenken unzertrennt, d.h. sie hängen noch zusammen, und die Knochen selbst sind von der rauen Katzenzuge blank geleckt. Typisch für den Luchsriss ist die von hinten nach vorne umgestülpte Haut des Beutetieres!
Im Gegensatz zu Fuchs und Hund lässt der Luchs den Verdauungstrakt immer unberührt.

Vom Luchs gerissenes Reh. Das Tier wurde in mehreren Nächten vollständig genutzt.

Wie alle Katzenartigen weist der Luchs im Vergleich zu den Hundeartigen (Fuchs oder Wolf etc.) einen verkürzten Ober- und Unterkiefer auf. Dadurch erhält der Biss mehr Kraft, was dem Luchs erlaubt, grössere Beutetiere durch einen einzigen gezielten Biss in die Kehle zu töten.

Jagdverhalten

Luchse beanspruchen grosse Reviere für sich, in denen sie leben, jagen und den Nachwuchs aufziehen. Ein solches Revier kann zwischen 50 und 400 Quadratkilometer gross sein, das sind bis zu 40.000 Hektar. Dabei hängen Reviergrösse und die Dichte der Luchspopulation eng mit dem Beutetierangebot zusammen. Die grossen Gebiete braucht der Luchs deshalb, um regelmässig erfolgreich Beute machen zu können. Dabei sind die Reviere der männlichen Luchse deutlich grösser als die der Weibchen. Sie überlappen oft bis zu drei Weibchenreviere. Der Kuder kann sich mit allen Weibchen, die in seinem Revier leben, paaren. Ob das eher die Regel oder die Ausnahme ist, ist noch nicht bekannt. Findet ein Luchs in seinem Revier nicht genügend Beutetiere, muss er sein Revier vergrössern oder eventuell gar abwandern, anderenfalls droht ihm der Hungertod. Überdies beeinflusst das Nahrungsangebot, ob und wie viel Nachwuchs überlebt. Fehlt es an Futter, um zwei Junge zu versorgen, überlebt vielleicht nur eines von beiden.

Der Luchs geht bevorzugt in der Dämmerung oder nachts auf die Jagd. Seine Augen und sein empfindliches Gehör sind ihm dabei von grossem Nutzen. Nicht weniger kommt ihm seine exzellente Tarnkunst zugute, ist doch der Luchs ein Pirsch- und Lauerjäger. Möglichst aus der Deckung nähert er sich schleichend seiner Beute, um sie dann mit einem kurzen, schnellen Sprint und einem gezielten Biss in die Kehle zu überwältigen.


Der Luchs hetzt seine Beute nicht über grössere Distanz. Zwar kann er auf kurzer Strecke schnell sprinten, ein ausdauernder Läufer ist der Luchs aber nicht. Darum muss er sich auf seine Tarnung verlassen können, um unbemerkt so nah wie möglich an seine Beute heranzukommen. Dies glückt allerdings nicht immer. Je öfter er jagt, desto vorsichtiger und misstrauischer wird seine Beute und desto seltener gelingt es ihm, Beute zu machen. Um dauerhaft erfolgreich zu sein, wechselt der Luchs darum die Jagdgebiete innerhalb seines Reviers.
Diese Jagdstrategie nennt man auch Intervalljagd.

Hat der Luchs seine Beute zur Strecke gebracht, was ihm häufig mit einem gezielten Biss in die Kehle gelingt, beginnt er meistens am Hinterbein – der Keule – des Beutetiers zu fressen.
Wenn er nicht gestört wird, kehrt er mehrere Nächte lang zu seinem Riss zurück, bis dieser schliesslich fast komplett verwertet ist. Zwischen den Mahlzeiten versteckt er seine Beute typischerweise unter einer Schicht Laub, Erde, Gras oder Schnee. Auf diese Weise versucht er zu vermeiden, dass sich Aasfresser wie Füchse oder Vögel seiner Beute bemächtigen.
Bis auf den Kopf, das Skelett und das Fell wird alles gefressen. An einem Reh labt sich ein ausgewachsener Luchs meist mehrere Tage. Meist können erfahrene, geschulte Personen anhand charakteristischer Merkmale an frischen Rissen ablesen, ob ein Luchs oder ein anderer Beutegreifer das Tier erjagt hat.

Beutetiere

Bis zu 90 Prozent bestimmen Rehe das Nahrungsspektrum unserer heimischen Luchse.

Allerdings kann das Nahrungsangebot je nach Region schwanken. Luchse in der Schweiz beispielsweise fressen auch Gämsen, und die Luchse im Norden Skandinaviens ernähren sich fast nur von den dort lebenden Rentieren.

Wie andere Tiere sind Luchse Nutzniesser von Gelegenheiten, und so stellen insbesondere unvorsichtige Tiere einen wichtigen Teil seiner Beute dar. Mitunter stehen junge Rotwildkälber oder Wildschwein-Frischlinge auf dem Speiseplan. Ansonsten erbeuten Luchse auch gelegentlich Hasen, Füchse, kleinere Säugetiere und Vögel. Mögliche, aber seltene Ausnahmen sind Risse von Haus- und Nutztieren wie Schafe oder Ziegen.

Ausgewachsenen Wildschweinen geht der Luchs aus dem Weg. Auch Frischlinge machen nur einen sehr geringen Teil der Beute von Luchsen aus. Das tödliche Risiko, mit der Mutter, auch Bache genannt, aneinander zugeraten, will der Luchs vermeiden.

Losung
Luchs Losung
Fortpflanzung

Einmal im Jahr, in der sogenannten Ranzzeit, kommen der männliche Luchs, der Kuder, und die Katze zusammen, um sich zu paaren. Wäh-rend sich die Männchen erst im Alter von drei Jahren zum ersten Mal paaren, erreichen Weibchen schon mit zwei Jahren, in Ausnahmefällen sogar mit einem Jahr, die Geschlechtsreife und können Junge gebären.

In der Ranzzeit durchstreift der Kuder sein Revier auf der Suche nach einer oder mehreren Katzen. Am Geruch des Urins erkennt der männliche Luchs, wann das Weibchen paarungsbereit ist.
Deren Empfängnisbereitschaft dauert nur ca. vier bis sieben Tage. Um den Eisprung nicht zu verpassen, bleibt das Männchen meist in unmittelbarer Nähe des Weibchens. In dieser Zeit paaren sich die Tiere mehrfach.
Während der Ranzzeit, zwischen Februar und April, machen die Luchse oft durch laute Rufe auf sich aufmerksam.

Nach der Paarung gehen Kuder und Katze wieder getrennte Wege. Geburt und Aufzucht sind allein Sache des Weibchens.

Schrille Luchsschreie zur Paarungszeit
Für die Kanadischen Luchse beginnt die Paarungszeit, wenn der Frühling den subarktischen Winter ablöst.
Wenn sich zu dieser Zeit zwei Männchen begegnen, kann es zu regelrechten Schreikämpfen kommen.

© Nationalgeographic

Nach einer Tragzeit von ca. 70 Tagen, zwischen Mai und Juni, bringt die Katze in der Regel zwei Jungtiere zur Welt, die bei der Geburt noch blind sind und 250 bis 300 Gramm wiegen.

Für die Geburt sucht sich die Luchsin einen sicheren und trockenen Unterschlupf, kleine Höhlen unter Felsvorsprüngen etwa oder Wurzelstöcke umgestürzter Bäume. Nach rund 16 Tagen öffnen die Jungtiere zum ersten Mal ihre Augen und beginnen, ihre Umgebung zu erkunden. Zu Anfang werden sie noch von ihrer Mutter gesäugt, die den Wurfplatz nur für kurze Zeit verlässt. Für die nächsten zehn Monate bleiben die Jungtiere bei der Mutter. In dieser Zeit noch übernimmt sie häufig die Jagd für ihren Nachwuchs. Die Jungen warten, bis die Luchsin wieder zurückkehrt und sie zum Riss führt.

Luchs mit Jungem

Luchsjunge haben bereits nach sechs Monaten 80 Prozent ihrer Körpergrösse erreicht. Aber erst nach etwa zwei Jahren ist das Körperwachstum vollständig abgeschlossen.

Quelle: VDN/Rosemarie Zoglauer

Zwischen März und April, in der Ranzzeit des darauffolgenden Jahres, werden die Jungtiere von ihrer Mutter verlassen. Sie begeben sich dann auf die Suche nach einem eigenen Revier. Dabei handelt es sich um einen natürlichen Vorgang. Lücken in der Verbreitung der Luchse werden so geschlossen, der genetische Austausch innerhalb der Population gefördert.

Auf der Suche nach einem unbesetzten Revier legen die Tiere unterschiedlich weite Wege zurück. Junge Männchen wandern zwischen zehn und 450 Kilometer, während Weibchen eine Tendenz besitzen, sich in der Nähe ihrer Mütter niederzulassen. Luchse sind damit relativ schlecht im Erschliessen neuer Lebensräume. Ihre Strategie liegt eher darin, Kontakt zu benachbarten Luchsen zu halten.

Population

Ein Junger, selbständig gewordener Luchs hat nur geringe Überlebenschancen wenn er nicht innerhalb eines Jahres ein eigenes Revier besetzen kann. Die meisten Jungtiere sterben schon, wenn sie noch bei der Mutter sind oder im ersten Jahr ihrer Unabhängigkeit.

Häufigste Todesursache ist menschlicher Einfluss, sprich Verkehr oder Wilderei.

Weil sich Rehe und Gämsen bei Anwesenheit von Luchsen vorsichtiger Verhalten und darum schwieriger zu bejagen sind, bedeutet die noch nicht, dass ihr Bestand gesunken ist. Erst bei hohen Luchsdichten kann die Zahl der Beutetieren deutlich abnehmen.
In Folge des dadurch sinkenden Nahrungsangebotes wird sich die Luchspopulation jedoch wieder verringern.

Konflikte

Luchs und Weidetiere – ein kalkulierbares Risiko

Skepsis gegenüber dem Luchs ist z. B. bei einigen Nutztierhaltern an-zutreffen. Prinzipiell sind Luchse in der Lage, Weidevieh wie Schafe, Ziegen oder Gehegewild wie etwa Damwild zu erbeuten, v. a. wenn diese nachts ungeschützt auf der Weide bleiben. Die Sorgen und Ängste betroffener Halter sind also durchaus nachvollziehbar. Luchse sind gute Kletterer. Sie können Zäune überwinden und auf Weiden eindringen, wenn die nicht ausreichend gesichert sind. Erfahrungen zeigen aber, dass Übergriffe von Luchsen auf Schafe, Ziegen und Gehegewild selten sind.

Mit modernen Elektrozäunen, der Elektrifizierung von Gehegen und gegebenenfalls Herdenschutzhunden lassen sich solche Übergriffe heute weitgehend vermeiden und so die Interessen von Nutztierhaltern mit dem Schutz des Luchses in Einklang bringen.

Auch Schäden an Haustieren durch den Luchs spielen in der Schweiz nur eine untergeordnete Rolle, da nur wenige Tiere dem Luchs zum Opfer fallen.

Luchse und die Jägerschaft

Einige Jäger befürchten, dass die Jagd auf Rehe schwerer wird, wenn Luchse in der Nähe sind oder Luchse den Rehbestand nachhaltig dezimieren.

Ob die erhöhte Vorsicht des Rehwilds gegenüber dem Luchs dazu führt, dass es Wiesen oder andere Freiflächen meidet, auf denen der Mensch jagt, ist jedoch noch nicht belegt. Auch das Gegenteil ist denkbar.
Auf Freiflächen kann das Rehwild den Beutegreifer eher entdecken und vor ihm flüchten.

Hinzukommt die Jagdstrategie des Luchses. Als Intervalljäger in bis zu 40.000 Hektar grossen Streifgebieten ist sein Einfluss auf die Anzahl seiner Beutetiere bezogen auf die Reviere der Jäger eher gering. Lokal – beispielsweise in Gebieten, in denen Weibchen ihre Jungen grossziehen – kann es aber zu Einflüssen kommen, die für die regionale Jägerschaft spürbar werden.

Begegnungen mit dem Luchs

Einem Luchs in der freien Wildbahn zu begegnen, ist ein seltener Glücksfall, obwohl sie durchaus in unseren Kulturlandschaften unterwegs sind und deren Strukturen nutzen.
Sie sind ausserordentlich heimlich und Meister der Tarnung, sodass man sie kaum zu Gesicht bekommt. Überdies gehen Luchse in aller Regel Menschen aus dem Weg.

Meister der Tarnung und des Anschleichens
Krankheiten

Die häufigste Krankheit, die den Luchs heimsucht, ist die von Füchsen übertragene Räude. Dabei legen Milben in der Haut der betroffenen Tiere Gänge an, und die sich entwickelnden Larven lösen einen Juckreiz aus. Dieser ist so stark, dass sich die Tiere beim Kratzen offene Wunden zufügen. Die Verletzungen führen meist innerhalb weniger Monate zum Tod der Tiere.

Ansprechen und Altersbestimmung

In der Natur lässt dich weder Alter noch Geschlecht eines einzelnen Luchses mit Sicherheit bestimmen. Einzig bei einer Führenden Kätzin in Begleitung ihres Jungen bringt Klarheit über das Geschlecht.

Luchse haben individuell gefleckte Felle was das Unterscheiden auf Fotos gut ermöglicht.

Bejagung

Der Luchs ist ganzjährig geschützt.

Illegale Tötung

Illegale Tötungen sind eine der Hauptgefährdungsursachen für Luchse. Obwohl diese Tiere heute streng geschützt sind werden immer wieder gewilderte Tiere gefunden. Was an diesem Sachverhalt stört ist die Tatsache, dass diese Tiere nicht in der Eidg. Jagdstatistik erfasst sind!

‚Daten nicht erhoben…‘

Was man in der Jagdstatistik an toten Luchsen findet, fällt unter die Rubrik ‚Daten nicht erhoben‘ – seltsam…

Kein Zweifel, die Akzeptanz von Luchsen, denen man ein Existenz-recht hierzulande zugesteht, ist in der Bevölkerung gewachsen. Für die meisten Menschen ist der Luchs heute ein Sympathieträger. Aber richtig ist auch, dass es noch immer Menschen gibt, die im Luchs einen Konkurrenten oder eine potenzielle Gefahr sehen.